Make A Step Forward
„Make A Step Forward“ war ein großes EFD-Projekt in Moldawien. Die zahlreichen, verschiedenen Projekte fanden hauptsächlich in der Hauptstadt Chisinau, aber auch im Umland statt. Wir hatten 3 Freiwillige über die Koordinierende Organisation ADVIT in verschiedene Aufnahmeprojekte entsendet. Hier ein überaus ehrlicher Bericht unserer Freiwilligen Alexa nach 4 Monaten, der einen sehr guten Eindruck vermittelt, dass ein EFD auch ein konkretes Hilfsangebot für die Menschen im Aufnahmeland sein kann. Daran anschließend ein wirklich sehr gut geschriebener Bericht unserer Freiwilligen Anna mit ein paar Fotoeindrücken. Und zu guter Letzt der Bericht von Mattis, der sich um Straßenhunde kümmerte:
Hallihallo. Ich heiße Alexa, bin 20 Jahre alt und komme eigentlich aus Bremen. In Moldawien bin ich nun seit 114 Tagen (Stand 26.Dezember.2014). Ich will euch nichts vor machen, es ist kein Zucker schlecken. Ich hatte noch nie zuvor Heimweh in meinem Leben, von klein auf eher Fernweh. Hier hat mich das Heimweh eingeholt und beinahe wieder nach Hause getrieben, aber ich bin geblieben und mittlerweile auch froh darüber.
Als wir (ich bin mit meinem Freund zusammen ausgereist) ankamen, haben wir uns sehr über unsere Wohnung gefreut und auch die Mitarbeiter der neuen Arbeit waren sympathisch. Aber mit der Zeit traten Probleme auf. Ich vermisste meine Familie, vermisste es Hunde zu haben (bin mit Hunden aufgewachsen) und mein größtes Problem war die vorherrschende Armut. Ich wusste vorher, dass ich in das ärmste Land Europas fahre, aber dann auch wirklich dort zu sein war nicht vergleichbar mit der Vorstellung.
Die kaputten Häuser, die kaputten Straßen.. nicht schön, aber auch nicht so schlimm für mich.
Ganz anders das „Straßenleben“. Straßenhunde, Straßenkatzen und Obdachlose. Anders als in Deutschland, nicht wie einige freiwillig, sondern komplett hilflos. Die Tiere ja sowieso. Ich kam nicht gut damit klar an humpelnden Hunden, Menschen mit verfaulten oder gar keinen Beinen oder Tieren mit offenen Wunden einfach vorbei zu gehen. Durch diese Belastung habe ich mich natürlich auch noch viel mit meinem Freund gestritten, da wir beide gereizt waren. Ich wollte eigentlich nur noch nach Hause, aber mein Wille nicht aufzugeben war stärker.
Also habe ich angefangen nach Lösungen zu suchen. Natürlich kann ich nicht die Welt retten, aber ich habe von da an oft Hundefutter in der Tasche und Banis (so wie Cent bei uns in Deutschland, nur sehr viel weniger Wert) gesammelt und an Obdachlose zu geben. Oder wenn wir an einem der zahlreichen Mini-“Läden“ essen kaufen, etwas mehr kaufen und an Obdachlose verteilen. Seitdem komme ich etwas besser damit klar.
Die meisten Freiwilligen (habe ich so das Gefühl zumindest) verschließen eher ihre Augen davor, machen viel Party und haben eine starke Community hier. Ich denke, wenn man eher der Mensch ist, der gern feiert, am liebsten immer unter Leuten ist, schnell Anschluss findet und sich gut mit den Verhältnissen auf der Straße abfinden kann, kann man hier auch andere, sich völlig von meinen unterscheidenden, Erfahrungen machen.
Für meine Erfahrungen beziehungsweise meine Zukunft habe ich das Gefühl, dass es wichtig war. Auch wenn ich vielleicht am Ende sage, es war eine sehr schwere Zeit, kann ich jetzt schon sagen, habe ich noch nie mehr über meine Stärken, meine Schwächen, meine Werte, meine Vorlieben und meine Abneigungen gelernt. Und ich habe so viele Dinge in Deutschland wertschätzen gelernt, die vorher so selbstverständlich für mich waren.
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Jetzt bin ich schon fünfeinhalb Monate hier in Chisinau der Hauptstadt Moldawiens und habe noch viereinhalb vor mir.
Noch immer muss ich ab und an die Frage beantworten „Warum ausgerechnet Moldawien? Warum nur?“ Vor der Abfahrt Bekannten und nun Einheimischen hier.
Die richtige Antwort lautet: „Warum nicht?“ Warum nicht vom Mainstream abweichen und mal nicht nach Neuseeland oder Australien gehen?
Natürlich blieben mir Fragen wie „Wo liegt denn Moldawien? Auf welchem Kontinent?“ nicht erspart und auch meine Oma rief davor mich regelmäßig an, um zu versuchen mich umzustimmen, nicht doch nach Australien zu gehen, da neben Moldawien ja der Krieg ist. Der Krieg, der Krieg, das habe ich oft zu hören bekommen.
Es ist aber völlig unberechtigt, denn hier in Moldawien ist davon nichts zu spüren (außer in den Nachrichten, aber das ist ja in Deutschland nicht anders), und das Leben läuft ganz normal ab. Warum nicht nach Moldawien, wenn auch in der Ukraine Freiwillige sind?
Am 1. September landete ich also in dem Flughafen Chisinaus, der genau ein Gepäckband hat, unmöglich sich dort zu verirren.
Ich wurde sofort von meiner Mentorin begrüßt, die schon auf mich wartete. Mit dem Taxi ging es dann zu meiner Wohnung. Da sah man bereits die Unterschiede. Auf der Rückbank kann man von Anschnallgurten nur träumen, die Taxifahrer fahren wie Chaoten und die Straßen sind übersät mit Schlaglöchern.
Der Standard ist hier doch sehr anders, überall sind etwa 10-stöckige Plattenbauten, mit heruntergekommenen Fassaden, die auch manchmal Türkis, Gelb oder Rosa gestrichen sind.
Der Verkehr ist auch bei Weitem nicht so gut geregelt wie bei uns. Knappes Überholen, viel hupen und auch mal nicht beim Zebrastreifen halten, ist Alltag. Doch wie man sich auch an alles andere gewöhnt, gewöhnt man sich auch an Chisinau:
ans chlorig schmeckende Leitungswasser beim Zähne putzen,
den Gasherd zu bedienen,
dass das Wasser von der Waschmaschine über die Badewanne abläuft und du deshalb währenddessen (besser) nicht duschen solltest,
dass die Tapete überall abbröckelt und es auch mal aus dem Toaster rausblitzt,
dass man nie alles verstehen wird, weil Russisch und Rumänisch gesprochen wird,
an die Schokolade der moldawischen Firma Bucuria, die höchstens okay schmeckt,
an staubige oder dreckige Straßen,
dass an Regentagen sich die Straßen in Flüsse verwandeln wegen der schlechten Kanalisation (Gummistiefel empfehlenswert, oder Highheels wie die Einheimischen),
dass im Winter kaum gestreut wird und man mit blauen Flecken rechnen sollte,
und es auch mal -20 wird,
dass die Fenster nicht besonders dich sind und es reinzieht,
dass Architekten auch mal die Balkontür vergessen (und ich deshalb immer zum Fenster rausklettern muss),
dass es auch mal kleine Erdbeben gibt,
dass obwohl die Busse randvoll sind immer noch jemand reinpasst,
an Bad Hair Days, weil das Wasser für ein paar Stunden ausgefallen ist.
Das Coole hier ist aber
das günstige Obst und Gemüse, das sooo lecker ist, wirklich die Wassermelone war sehr lecker,
und wir hier eine große Freiwilligen-Community sind, bestehend aus etwa 50 Leuten aus ganz Europa, Amerika und ein paar aus Afrika,
man mit 80 ct mit dem Zug bis nach Tiraspol kommt oder mit 16 € nach Bukarest, man also im Allgemeinen sehr günstig reisen kann,
man von Einheimischen immer als etwas Besonderes gesehen wird und sie sehr offen sind,
man günstig essen gehen kann (Andy’s Pizza), und alles günstig ist.
So ich stopp mal hier. Zu meinem Projekt:
Ich war leider am Anfang sehr enttäuscht und bin es noch immer etwas, denn mein Projekt gibt es nicht! Meine Bewerbung war für ein Kinderzentrum. Schön ordentlich habe ich den Vertrag unterschrieben, mit geregelten Zeiten und allem. Hier aber keine Spur.
Stattdessen arbeitete ich in einer Bücherei, in der ich zweimal die Woche ältere Damen in Englisch unterrichtete (und es noch immer tu) und sonst Bücher aufräumte oder reparierte.
Nach 3 Monaten reichte mir es aber. Die Bibliothekarinnen waren zwar sehr nett und die Menschen dort auch, sie waren richtig glücklich über meine Anwesenheit. Aber die Büchermengen waren endlos, die Bücher waren wie kurz vor dem Zerfall und wenn es mal kein Klebeband gab, gab es auch nichts zu tun.
Also beschwerte ich mich bei meiner Coordinating Organisation, die mir daraufhin ein 2. Projekt anbot, in dem zwar schon 2 andere Freiwillige waren. Es war aber immer noch besser als nur rumzusitzen, weil es kein Klebeband gibt.
Die Zeit im Dezember war nicht so einfach für mich, ich fühlte mich wie in einem Tief, fühlte mich nicht sehr nützlich und mehr als würde ich meine Zeit vergeuden. Es bestätigte sich in meinen Augen die Aussage, dass Freiwillige oft nur des Geldes wegen geholt werden und nicht wegen der Tätigkeit allein. Ich war mit meinem fehlenden Projekt kein Einzelfall und ich hatte eher Glück, dass ich überhaupt eins hatte. 2-3 Freiwillige brachen auch ihren EVS ab.
Zum Glück ging es dann um Weihnachten ein paar Tage nach Rumänien und zurück nach Deutschland.
Fürs neue Jahr war dann meine Laune wieder oben und ich war froh nicht abgebrochen zu haben. Mittlerweile habe ich 2 Englischkurse, gebe meiner Mentorin und ihrer Freundin Französischunterricht, arbeite an den anderen Tagen in meinem 2. Projekt, einer Einrichtung für mental behinderte Menschen, wo wir ein Theaterstück einproben, habe Russischunterricht, bald auch ein spanisch-deutsch Tandem, gehe 2 Mal die Woche ins Zumba und es besteht große Nachfrage für ein Französisch- und Deutschkurs in der Bücherei, eine Frau möchte mir das Nähen beibringen und und und… und Kochabende, Freiwilligenpartys, Quiz-nights und Konzerte im Artlabyrinth, es ist auf jeden Fall für jeden etwas dabei in der Hauptstadt Moldawiens!
Ich hoffe, ich habe euch nicht entmutigt durch den Artikel, er sollte eben ehrlich sein. Stellt euch einfach darauf ein, dass ihr möglicherweise nicht das Projekt bekommt, das ihr ursprünglich geplant habt. Ihr könnt es euch aber zurecht biegen oder zusammen puzzeln, es ist fast alles möglich! Viel Spaß!
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Meine Freundin Alexa wollte schon immer für eine längere Zeit ins Ausland. Ehrlich gesagt war ich anfangs gar nicht begeistert von der Idee. Doch sie ist sehr überzeugend und nach längerem Überlegen fand ich die Vorstellung doch ganz interessant.
Wohin war uns egal. Und es ist Kischinau die Hauptstadt von Moldawien geworden.
Jetzt bin ich schon ca. 7 Monate hier. Ich bereue es nicht hier hergekommen zu sein. Nicht unbedingt, weil alles supertoll ist und war, sondern, weil ich jetzt einen ganz anderen Eindruck von der ganzen Welt und auch von meinem eigenen Land bekommen habe.
Ich habe viel gesehen, Schönes, Trauriges, Merkwürdiges und Neues. Außerdem hab ich mein Englisch verbessert und immerhin ein bisschen Russisch und Rumänisch gelernt.
Gefallen tut mir auch, dass ich hier viel mehr Zeit für mich, für uns und für meine eigene Arbeit habe (ich male). Natürlich habe ich auch Tage an denen ich lieber zu Hause in meinem Zimmer, bei meiner Familie und meinen Freunden wäre.
Ich arbeite hier in einem bzw. zwei Hundegehegen in denen 100 bis 200 Hunde sind. Es ist nicht so, wie man sich ein Tierheim in Deutschland vorstellt, sondern draußen gelegen. Das Ziel ist es möglichst viele Hunde zu sterilisieren, weil es hier viele Straßenhunde gibt, die sonst durch Gift oder anders vom Staat getötet werden.
Oft sieht man wie die Hunde sich beißen oder irgendwie anders verletzen. Es ist sehr dreckig dort und man stinkt, wenn man von der Arbeit kommt, dennoch gefällt mir die Arbeit, weil ich Hunde liebe und froh bin etwas helfen zu können. Fast alle Hunde sind lieb und es sind wirklich tolle Hunde dabei. Am liebsten würde ich alle mitnehmen.
Die meisten Menschen, die hier leben, ignorieren die – nicht richtig – vorhandenen Gesetze für Tiere und wollen nichts mit den schlechten Verhältnissen zu tun haben. Außerdem laufen die Menschen hier jeden Tag schick gemacht herum und legen viel Wert auf ihr Erscheinungsbild, da fällt man schnell auf, wenn man in Gummistiefeln zur Arbeit geht. Weil mich dann alle so anstarren nehme ich meine Gummistiefel lieber in einer Tüte mit.
Unsere Wohnung finde ich ganz gut. Wir wohnen im 7. Stock und haben eine gute Aussicht von unserem Balkon aus.
An warmen Tagen ist immer viel auf den Straßen los und die Stadt sieht schön aus mit all dem Grün. Im Winter ist es dafür umso trostloser und es fällt auf, wieviel Müll herumliegt und wie heruntergekommen die meisten Häuser sind. Aber damit kann man leben.
Wir haben hier auch schon ein paar Leute kennengelernt, andere Freiwillige und Einheimische mit denen wir öfters etwas unternehmen und so wird es uns auch nicht langweilig.