GEGED Gaziantep Training And Youth Association
„GEGED Gaziantep Training And Youth Association“ ist ein EFD-Projekt in Gaziantep einer Stadt im Südosten der Türkei und damit seit einiger Zeit eine nicht unproblematische Gegend. Unsere Freiwillige Zoe verbrachte dort mehrere Monate und war natürlich in die Arbeit mit Flüchtlingen involviert. Hier ihr starker, schonungsloser und authentischer Bericht:
Mein Freiwilligendienst in der Türkei hatte zugegebenermaßen einen holprigen Start.
Nicht nur, dass die Lage in der Türkei, insbesondere im Südosten, schon zuvor angespannt war, kam eine Nacht vor meinem geplanten Abflugdatum auch noch der Putschversuch hinzu.
Ich war also voller Vorfreude auf meine Reise, als es hieß, das Militär hätte die Macht in der Türkei übernommen. Ich war geschockt. Und so verfolgte ich die ganze Nacht lang die Nachrichten. Kann ich unter diesen Umständen noch fliegen?
Nach vielem hin- und her-telefonieren, sowohl mit meiner türkischen als auch mit meiner deutschen Sendeorganisation, die mich hierbei hervorragend betreut hat (danke nochmal dafür!), war klar, dass ich eine Woche verspätet fliegen wollte.
Von Berlin ging es also endlich nach Gaziantep (Antep), eine Großstadt im Südosten der Türkei, ca. 90 km von Aleppo. Gaziantep ist eine konservative Stadt ohne Tourismus. In den Sommermonaten steigt die Temperatur auf ca. 40°, dennoch sollte man sich aber an die Kleiderordnung vor Ort halten.
Meine Aufgabe war es, mit syrischen Flüchtlingen zu arbeiten. Beim wöchentlichen Planungstreffen konnte sich jeder seine Projekte selbst aussuchen und so seinen Wochenplan erstellen. Projekte mussten von den Freiwilligen selbst vorbereitet und organisiert werden.
Wir haben sowohl für Kinder als auch für Erwachsene Englischunterricht gegeben und mit syrischen Straßenkindern Spieletreffs veranstaltet. Außerdem haben wir für arme Nachbarschaften gekocht und Essen verteilt, wofür wir allerdings von der Polizei verfolgt wurden, denn das ist in der Türkei verboten und so gab es regelmäßig Konflikte mit ansässigen Geschäften. Wir haben einen „Conversationclub“ mit syrischen Studenten veranstaltet, bei dem wir viel über Syrien, ihre Kultur, den Krieg, aber auch ihre ganz persönliche Geschichte erfahren haben.
Wir haben unglaublich offene und herzliche Menschen kennengelernt, die schreckliche Dinge im Krieg erleben mussten. So bekommt man einen ganz anderen, realen Zugang zu dem, was man sonst nur aus den Nachrichten erfährt.
Etwa einmal die Woche wurden von der Organisation auch Türkisch-Kurse von Muttersprachlern angeboten, bei dem man einige Alltagsfloskeln gelernt hat, das ist auch unbedingt nötig, denn in dieser Region spricht kaum jemand Englisch.
Ich habe mit ca. 20 jungen Leuten aus der ganzen Welt in einem Haus zusammengelebt. Wir waren nicht nur Freiwillige aus Europa, sondern auch aus der Ukraine, Jordanien und Peru.
Unser Wohnhaus hatte eher etwas von einem Gemeindezentrum, in dem ständig Leute ein und aus gingen und so war man immer von einer Menge fremder Menschen umgeben, aber auch daran hat man sich schnell gewöhnt. Des Weiteren ist das Zusammenleben mit über 20 jungen Leuten auf so engem Raum eine hygienische Herausforderung.
Unsere Organisation war nicht nur in hygienischer Hinsicht ein bisschen chaotisch. Aufgrund der Sommerzeit waren zahlreiche Aktivitäten gecancelt worden und so hatten manche Freiwillige nur zwei Stunden oder gar keine Aktivitäten am Tag. Das war schade, denn wir alle haben gesehen, dass dort mehr zu machen ist und hätten auch gerne mehr gemacht.
Zweitens gab es ein Problem mit der Abstimmung zwischen unserer betreuenden Organisation und den ausführenden Projekten, so dass wir zu Aktivitäten geschickt wurden, die es in der Form gar nicht gab oder zumindest nicht zu dieser Uhrzeit. Als Freiwillige waren wir meistens in den Projekten entweder über- oder unterrepräsentiert.
In dem Projekt hat man viele Freiheiten und kann vieles selbst organisieren, trägt aber auch viel Eigenverantwortung. Ich habe z.B. syrischen Kindern Englischunterricht gegeben, ohne zu wissen auf welchem Level die Kinder waren und ohne eine feste Klasse zu haben. Dafür musste ich mir selbstständig einen Arabisch-Übersetzer suchen, der mich meistens selbst nicht verstanden hat, da er wiederum kaum Englisch sprach. Nach einigen Wochen zeigte aber sogar das erste Erfolgserlebnisse und das macht Spaß zu sehen, wie sich die Kinder entwickeln.
Dieses Projekt ist, was ihr aus ihm macht. Man braucht definitiv starke Nerven, Eigenverantwortung, Engagement und Ausdauer, aber dann kann man vieles für alle Beteiligte dabei herausholen.
Leben in der Türkei ist für unsere westeuropäischen Verhältnisse sehr günstig und mit dem zur Verfügung gestellten Taschengeld gut zu bestreiten. Man kann selbst kochen oder unschlagbar günstige Falafel oder Kebab außerhalb genießen.
Darüber hinaus kann man in den Ferien und an Wochenenden auch nahezu kostenlos die Türkei entdecken.
Eine meiner besten Erfahrungen während meines Freiwilligendienstes war das Trampen und Couchsurfen einmal quer durch die Türkei. Dabei habe ich die ganze Gastfreundschaft und Herzlichkeit der türkischen Kultur erleben dürfen, denn Trampen in der Türkei funktioniert überraschend gut. Wir wurden von Familien, Paaren und LKW-Fahrern mitgenommen und mit Süßigkeiten, Gözleme, Pistazien und Ayran versorgt. Über Verständigungsschwierigkeiten wurde sich mit Google Übersetzer oder Zeichensprache hinweggeholfen oder mal eben der Englisch sprechende Freund angerufen und als Vermittler eingesetzt.
Aber wir wurden auch von der Polizei oder dem Militär mit Kalaschnikows angehalten, unsere Taschen durchsucht, unsere Pässe kontrolliert, Telefongespräche geführt und wir wurden auf Türkisch angeschrien. Nachdem wir aber eine Stunde in sehr gebrochenem Türkisch erklärt hatten, dass wir nur Freiwillige und weder Journalisten noch Terroristen sind, durften wir dann aber gehen.
Wir waren in Urfa, Halfeti, Kapadokia, Mersin, Antalya, Fethiye, Marmaris und Istanbul. Vom Baden im Euphrat, einem Dorf nahe der syrischen Grenze, zahlreichen Moscheen und Basaren, Massentourismusattraktionen bis zur lebendigen Metropole Istanbul haben wir in einer doch so kurzen Zeit die Türkei in all ihren Facetten kennengelernt.
Ich habe Freunde aus aller Welt hinzugewonnen und am Ende haben sich alle nur unter Tränen mit dem Versprechen verabschiedet sich wiederzusehen, in der Türkei, in Deutschland oder anderswo auf der Welt.
Ein EFD in der Türkei ist definitiv ein Abenteuer, man weiß nie, was einen erwartet. Ich habe unendliche Gastfreundschaft auf der einen Seite erlebt und den Ausnahmezustand in der Türkei auf der anderen. Trotz aller Hindernisse und der derzeitigen politischen Situation in der Türkei würde ich dieses Projekt jedem empfehlen und auch ich würde diese Entscheidung immer wieder genauso treffen.
Teşekkürler für diese wundervolle Zeit!