Depaul Ireland
„Depaul Ireland EVS Programme“ war ein Freiwilligendienstprojekt in Dublin. Unsere Freiwillige Jule war dort für ein ganzes Jahr. Hier ihr ausführlicher und sehr interessanter Bericht in einem schwierigen Einsatzgebiet nach 4 Monaten:
Eine etwas andere Art von Freiwilligendienst 🙂
Es ist mittlerweile Anfang November und ich bin nun seit ca. vier Monaten in Dublin. Ich kam ja hierher, mit der Vorstellung, dass ich alle Vorurteile über Irland verwerfen kann, weil sie sowieso nicht stimmen. Das kann ich ehrlich gesagt nicht und das ist auch ok.
Was mache ich hier eigentlich? Gute Frage, ich würde sagen, ich arbeite mit Menschen zusammen, die marginalisiert wurden, mit denen sonst keiner zusammenarbeiten will, die nicht erwünscht sind, keine Perspektive haben.
Depaul Ireland ist eine gemeinnützige Organisation, die mit Obdachlosen oder Menschen, die dem Risiko ausgesetzt sind, obdachlos zu werden, arbeitet. Es gibt mehrere Projekte von Depaul in Dublin und auch in Belfast. Das Motto der Organisation ist, dass jeder Mensch einen Platz haben sollte, an dem er oder sie sich zu Hause fühlen kann, und jeder einen Platz in der Gesellschaft haben sollte.
Mein Projekt heißt „Sundial House“ und ist eine Langzeitunterkunft für Menschen, die eine sehr lange Zeit in ihrem Leben auf der Straße gelebt haben und chronisch alkoholabhängig sind. Da es sich hierbei um ein „wet shelter“ handelt, dürfen die Bewohner in dem Gebäude Alkohol trinken. Der Alkoholkonsum wird jedoch reguliert. Die meisten von ihnen sind ca. 40 Jahre alt oder älter. Durch ihre Alkoholabhängigkeit haben viele von ihnen auch eine eingeschränkte Mobilität.
Ok, vielleicht fragt man sich jetzt „Warum gerade dieses Projekt?“. Dazu kann ich sagen, dass ich eine Herausforderung wollte und diese auch bekommen habe.
Mir gefällt das Projekt insgesamt sehr gut. Zugegeben, es kann manchmal sehr emotional beanspruchend und oft schwierig sein; zum Beispiel wenn man sieht, wie sich das Verhalten der Bewohner wegen des Alkohols verändert. Zu meinen Aufgaben gehört es hauptsächlich, Aktivitäten für die Bewohner vorzubereiten (wie Zeichnen und Malen, Billard spielen, ein gemeinsames Frühstück etc.) und andere Freiwillige bei ihren Aktivitäten zu unterstützen. Außerdem begleite ich einige der Bewohner zu Terminen. Doch eine der wichtigsten Aufgaben ist es eigentlich, mit ihnen zusammen zu sitzen und ihnen zuzuhören, ihnen also das Gefühl zu geben, dass sie nicht unerwünscht sind. Ich finde es sehr spannend zu sehen, was für Begabungen einige der Bewohner haben, die erst durch Aktivitäten wie Kunststunden ans Licht kommen.
Es gibt also doch einige Vorurteile und Gedankenmuster, die in unserer Gesellschaft existieren, die ich verwerfen kann; wie zum Beispiel das Abstempeln von Menschen in eine bestimmte Kategorie (wie „obdachlos“ oder „Alkoholiker“). Ein Mensch, der einige Jahre auf der Straße gelebt hat, ist eben nicht nur obdachlos, sondern vielleicht auch Künstler, Bäcker, Dichter, Gitarrist und noch viel mehr. Die Geschichten, die hinter jedem einzelnen von ihnen stecken sind einzigartig, beeindruckend, manchmal beängstigend und oft traurig.
Natürlich ist die Arbeit im Projekt nicht alles und ich arbeite ja zum Glück nicht 24 Stunden am Tag dort. Ich wohne mit 5 anderen Mädels in einem sehr schönen Haus zusammen, die auch entweder einen europäischen Freiwilligendienst machen oder im Rahmen eines Erasmus placements für Depaul Ireland arbeiten. Jeder von uns hat ein eigenes Zimmer und wir haben sogar einen kleinen Garten. Es macht auf jeden Fall Spaß, mit anderen Leuten aus verschiedenen Ländern zusammenzuleben. Ich habe wieder angefangen, Gitarre zu spielen und durch die Arbeit im Projekt auch die Leidenschaft des Zeichnens für mich entdeckt. Mal sehen, was noch so alles auf mich zukommt.