Darām kopā 2
„Darām kopā 2“ ist ein EFD-Projekt in Lettland. Genauer gesagt in Ogre. Das hat übrigens nichts mit Shrek zu tun… Unsere Freiwillige Friederike ist dort seit gut 4 Monaten und leistet ihren Dienst in einer Schule. Ihr Bericht liest sich wunderbar und macht Lust auf die eher nicht so geläufigen Länder in Europa…
Ogre ist die zehntgrößte Stadt Lettlands. Die zehntgrößte Stadt Deutschlands ist mit mehr als einer halben Million Einwohner Leipzig.
In Ogre leben noch nicht einmal 30.000 Menschen. Hier sind die Dimensionen schon ein bisschen anders.
Wenn ich jemandem gegenüber erwähne, dass ich aus einer Stadt mit mehr als 300.000 Einwohnern komme, oftmals mit dem Zusatz, dass das ja jetzt auch nicht wahnsinnig groß sei, werden die Augen weit.
Hier konzentriert sich die Einwohnerdichte vor allem auf Riga, die Hauptstadt. Und diese ist mit dem Zug nur vierzig Minuten entfernt. Darüber bin ich auch wirklich froh, da es somit überhaupt kein Problem ist, dort mal einen Samstag oder auch nur einen Abend zu verbringen. So habe ich in den letzten vier Monaten meines EFD von Riga deutlich mehr gesehen als nur die typischen Touristenattraktionen.
Das soll aber keineswegs heißen, dass Ogre das totale Kaff sei. Es gibt alles, was man braucht und mehr. Letztes Wochenende hat mich eine Freundin besucht, die ihren Freiwilligendienst zwar in der zweitgrößten Stadt des Landes macht, aber von den Freizeitangeboten hier ganz beeindruckt war.
Ich wusste zwar, dass es eine Langlaufloipe gibt, aber dass es so einfach ist, Ski auszuleihen und loszufahren, war auch für mich eine positive Überraschung!
Natürlich ist es am Wochenende auch immer nochmal was anderes. Dann treffe ich mich meistens mit anderen Freiwilligen und wir machen Ausflüge oder kochen, spielen und quatschen miteinander. Die anderen Freiwilligen, die hier wohnen, verleihen dem Städtchen ganz klar einen Riesenvorteil! Zusammen mit einer Spanierin, bzw. seit ein paar Wochen mit einer Italienerin in Lettland zu wohnen, sich jede Woche mit Leuten aus anderen Ländern von Österreich bis Georgien zu treffen und währenddessen größtenteils auf Englisch zu kommunizieren, ist meine ganz persönliche Definition von Europa.
Mein Alltag ist ebenfalls gut ausgefüllt: An zwei Abenden in der Woche spiele ich im Orchester und zweimal gehe ich tanzen: Lettischen Volkstanz. Das ist das, was ich jedem, der für eine längere Zeit ins Ausland geht, raten würde: Haltet euch beschäftigt!
Indem ihr an wöchentlichen Aktivitäten teilnehmt, baut ihre euch ein richtiges Leben in dem neuen Land auf, könnt die Kultur aufsaugen und habt gar keine Zeit für Heimweh. Aber natürlich geht’s mir auch nicht immer so super und vor allem in den ersten Wochen war ich mir nicht so sicher, was ich hier eigentlich genau will: Ich meine, bevor ich mich für das Projekt in Lettland entschieden habe, wusste ich noch nicht einmal, ob Lettland der nördliche, mittlere oder doch der südliche Staat des Baltikums ist und hatte gerade einmal den Namen der Hauptstadt gehört.
Lettisch schien mir jetzt auch nicht DIE Sprache zu sein, die mir weltweit alle Türen öffnen würde. Wo ich jetzt aber hier bin, halte ich es für essentiell, möglichst viel von der Kultur mitzunehmen und da hilft halt vor allem die Sprache. Mein Sprechen beschränkt sich momentan noch eher auf einfache Sätze und Höflichkeiten wie „Labdien“ (Guten Tag!), „Čau“ (HI), „Paldies“ (Danke) oder „Uz redzēšanos“ (Auf Wiedersehen!), aber ich bin immer stolz wie Oskar, wenn ich tatsächlich verstehe, wenn irgendjemand (mit mir) auf Lettisch redet – und das kommt immer häufiger und häufiger vor.
Heute spreche ich nicht mehr von den baltischen Staaten, sondern weiß, dass man Estland, Lettland und Litauen ganz klar trennen muss. Die Länder mögen zwar klein sein und wenig Einwohner haben, aber sie sind so individuell, dass ich oftmals vergesse, dass nur wenige hunderte Kilometer entfernt, zwei andere Länder liegen, welche zumindest in den letzten hundert Jahren eine ähnliche Geschichte aufzuweisen haben wie Lettland.
Die Letten sind sehr stolz auf ihre Nation: Schon seit Monaten kann man überall sehen, dass Lettland 2018 den 100. Jahrestag als eigenständiger Staat feiert. Es ist eigentlich unmöglich, um Volkslieder, typische Trachten oder beliebte lettische Sänger, Autoren und Marken herumzukommen. Ich finde es sehr bewundernswert, wie wichtig es für die Menschen hier ist, ihre Traditionen zu bewahren. Deswegen tauche ich auch vollkommen in das lettische Leben ein!
Mein Projekt besteht darin, an einer „Vidusskola“, der typischen Schulform hier, die die Klassen 1-12 umfasst, das Interesse für Deutsch als Sprache und für die deutsche Kultur zu verstärken. Es gibt die Möglichkeit ab der siebten Klasse Deutsch als Fach zu wählen, doch auch in der zwölften Klasse sind die Sprachkenntnisse eher gering.
Ich bin die erste Freiwillige an dieser Schule und in den ersten Monaten waren, glaube ich, die Schulleitung und ich beide etwas überfordert. Mir war nicht klar, welche Position ich in der Schule einnehme und ich finde es auch sehr schade, dass mir gar nicht wirklich die Gelegenheit gegeben wurde, die Abläufe im Schulalltag sowie SchülerInnen und LehrerInnen kennenzulernen. Bis Weihnachten habe ich im Groben zwei riesige Projekte umgesetzt, die mir aber vielmehr diktiert wurden als dass ich die Ideen alleine gehabt hätte.
Das eine war eine deutsche kulinarische Woche, in der ich mit 18 Gruppen im Alter von 11 bis 18 Jahren typisch deutsche Gerichte aus verschiedenen Regionen zubereitet habe. Meine Liste hat natürlich Reibekuchen mit Apfelmus (die sind zwar super angekommen, aber Kartoffelpuffer für 30 Leute zu braten, beansprucht schon etwas Zeit), aber auch etwas weniger verbreitete Gerichte wie Dibbelabbes aus dem Saarland. Das Projekt hat aber auch beinhaltet, dass ich in den vorausgehenden Wochen Präsentationen über die 16 Bundesländer gehalten habe, damit die SchülerInnen genügend Informationen hatten, um Poster erstellen zu können. Letztendlich war die Woche glücklicherweise ein großer Erfolg. Trotzdem bereue ich es, dass eine Aktivität in diesem Ausmaß mein erstes Projekt gewesen ist.
Die andere Veranstaltung vor Weihnachten und Weihnachten als Anlass nehmend hat noch größere Ausmaße angenommen. Ich hatte zwar darum gebeten, die Schülerzahl zu verringern, aber letztendlich sollte ich irgendetwas für mehr als 800 SchülerInnen organisieren. Was kann man mit solch einer Anzahl an Personen machen, wenn einem nur ein Vormittag zur Verfügung steht? Plätzchenbacken wäre schwierig geworden, außerdem hatte ich ja auch ausreichend Zeit in der Schulküche verbracht. Und einfach nur einen Vortrag halten, wollte ich nicht. Also kam mir die Idee mit einem Stationenlauf. So hatte ich es nicht mit Hunderten von SchülerInnen auf einmal zu tun und konnte viele unterschiedliche Aktivitäten gestalten. Unpraktisch nur, dass sich die lettischen und die deutschen Weihnachtstraditionen nicht so stark unterscheiden und deswegen die einzelnen Stationen bis auf die „Nikolaus-Station“ eher international ausgerichtet waren.
Was mich unzufrieden gemacht hat, war, dass ich am Ende den Überblick über mein eigenes Projekt verloren habe, da ich an einer Station festgenagelt worden bin. Von Seiten der Schulleitung gab es kurzfristig noch Änderungen, die den Ablauf aber nicht unbedingt erleichtert haben. Als ich über Weihnachten nach Hause geflogen bin, war ich an einem Punkt, an dem ich mit meiner Freiwilligenarbeit hier ziemlich unglücklich war.
Doch verliert in so einer Situation nicht den Optimismus: 1,5 Monate später kann ich sagen, dass mir meine Arbeit Spaß macht. Und wie kam es dazu? Ganz einfach: Ich habe es, als ich aus Deutschland wiedergekommen bin bzw. schon bevor ich nach Hause geflogen bin, in Angriff genommen, den Status Quo zu ändern. Gut, dass bei einem EFD so viele Personen in verschiedenen Rollen beteiligt sind.
Mit der Hilfe meiner Mentorin und meines Koordinators habe ich mich also getraut, meine Ansprechpartnerin in der Schule direkt zu konfrontieren. Jetzt hat sich eigentlich alles eingespielt: In Zusammenarbeit mit einzelnen Lehrern kann ich meine eigenen Projekte realisieren. Aus dem Rheinland kommend, habe ich es mir selbstverständlich nicht nehmen lassen, ein bisschen Narrenstimmung überschwappen zu lassen. Und ja, ich gebe es ja zu, wenn man die SchülerInnen hier an der Schule nach dem deutschen Karneval fragen würdest, würde sie dir wahrscheinlich mit „Alaaf“ anstatt „Helau“ antworten.
Meine Zeit nähert sich jetzt langsam der Halbzeit an. Meine Bucket-Liste im Bezug auf Reisen ist noch gut gefüllt, aber beispielsweise der Trip nach Helsinki ist schon gebucht und für Russland stecken wir in den Vorbereitungen. Nach dem Mid-Term Training letzte Woche sprießen die Ideen nur so in meinem Kopf; die Seminare lohnen sich nicht nur im Bezug aufs Essen! Besonders freue ich mich darauf, Ende Juni wahrscheinlich mit meinem Orchester am „Dziesmus Svētkus“, dem riesigen Gesangs- und Tanzfestival, teilnehmen zu dürfen. Das ist nämlich ein sehr sympathisches Charakteristikum der Letten: Sie mögen Blumen und Lieder!
Auch wenn ich jeden, der mir vor einem Jahr gesagt hätte, dass ich heute in Lettland lebe, für verrückt erklärt hätte, bin ich heute umso dankbarer, dass es mich hierhin verschlagen hat. In Zukunft werde ich sicherlich fünfmal abwägen, ob ich auf den ersten Blick vielleicht etwas ungewöhnliche Möglichkeiten ablehne oder mich ins Abenteuer stürze! Ejam / Los geht’s!