Creativity on wheels
„Creativity on wheels“ ist ein EFD-Projekt im schönen Varna in Bulgarien. Das liegt an der Schwarzmeer-Küste. Unsere Freiwillige Silvana ist dort für ein ganzes Jahr. Das ist jetzt schon fast vorbei und hier kommt ihr Bericht 2 Monate vor dem Ende…
Als ich anfing mich für ein EFD zu bewerben, gehörte Bulgarien ganz und gar nicht zu meinen Favoriten. Da ich aber möglichst schnell starten wollte, bewarb ich mich auch für Varna, die drittgrößte Stadt Bulgariens. Überraschenderweise kam noch am gleichen Tag eine Zusage, und einige Tage später stand dann auch schon fest, dass es schon in gut einem Monat los geht, und Varna für ein Jahr mein neues Zuhause sein wird.
Mittlerweile bin ich seit gut neun Monaten hier und bereue es in keiner Weise! Ich hab versucht möglichst ohne Erwartungshaltung anzukommen, was natürlich immer leichter gesagt als getan ist. Ich glaube jedoch, dass mir das ganz gut gelungen ist; der klassische „Kulturschock“ blieb nämlich aus, und ich hatte weder das Gefühl, dass meine Erwartungen enttäuscht wurden, noch, dass sie erfüllt wurden. Die ersten Wochen waren natürlich super aufregend, besonders weil es für mich auch das erste Mal war/ist alleine zu wohnen, und im Allgemeinen so weit weg von seinem gewohnten Umfeld zu sein.
Als ich ankam waren nur zwei andere Freiwillige in meiner Organisation, und einer davon beendete sein EFD auch ein paar Wochen danach schon. Meine Wohnung, die ich mir mit einem Freiwilligen teilte, der kurz nach mir ankam, war schon sehr gewöhnungsbedürftig, glücklicherweise hatte ich aber die Möglichkeit nach einem Monat spontan noch umzuziehen. Meine Organisation beschäftigt sich mit Kindern und Jugendlichen aus schlechten sozialen Verhältnissen, und die ersten Monate lang arbeitete ich in einer Art Jugendzentrum in einem recht armen Viertel, wo ich hauptsächlich mit den Kindern bastelte und spielte und ein bisschen Englisch Unterricht gab. Anfangs war ich definitiv noch ziemlich unbeholfen im Umgang mit den Kindern, was natürlich am meisten an der Sprachbarriere lag. Aber die anfängliche Spannung verflog super schnell, und bereits nach ein paar Wochen wurde ich schon nur noch große Schwester (Kaka) genannt. Die Verständigung blieb noch länger etwas schwierig, aber mit Händen und Füßen kann man sich ja letztendlich immer irgendwie verständlich machen und mein bulgarisch wurde mit der Zeit selbstverständlich auch besser.
Mittlerweile arbeite ich in einer Schule in einem kleinen Dorf, wo ich hauptsächlich bei den Hausaufgaben in Englisch helfe, und mit den Kindern lesen übe, was mir sehr viel Spaß macht. Ich hatte das Pech, dass das Wetter als ich im Mai ankam außergewöhnlich schlecht für die Jahreszeit war; eine meiner ersten Anschaffungen war somit ein Regenschirm, und der Sommer ließ leider recht lange auf sich warten. Als er dann aber endlich kam, begann definitiv die beste Zeit meines EFDs.
Meine Organisation hat uns im Sommer bewusst mehr Freizeit gegeben, und da ich immer erst Mittags arbeiten musste, konnte ich fast jeden Vormittag bei 30 Grad am Strand liegen. Da Varna direkt am schwarzen Meer liegt, war die Stadt im Sommer auch voll mit Touristen, was mich persönlich aber nicht gestört hat, da ich so viele interessante Menschen von überall her kennengelernt habe, und es dementsprechend auch ein recht gutes Nachtleben gab. An sich lief alles sehr gut, jedoch war ich nicht so glücklich mit zwei meiner Kollegen. Anfangs kam ich damit noch einigermaßen zurecht, irgendwann nahmen die schlechten Charakterzüge aber überhand, und als der zweite dazu kam, eskalierte das Verhalten dann so sehr, dass ich mich beschweren musste, da ich gewisse Aktionen nicht mehr tolerieren konnte und ich es auch nur noch schwer mit meinem Gewissen vereinbaren konnte zu schweigen (Aggressionen, Vandalismus, Lügen, etc.). Von da an brich eine recht schwierige Zeit an, da einer der beiden sogar mein Mitbewohner war und es ansonsten nur noch einen anderen Freiwilligen gab, der jedoch ziemlich isoliert lebte und wenig damit zu tun hatte, und ich mich somit ziemlich allein in meinem „Kampf“ fühlte. Glücklicherweise kam einige Wochen zuvor jemand neues in unsere Organisation, der das Verhalten sehr schnell durchschaute und sich bereits wenige Wochen nach Ankunft ebenfalls beschwerte, sodass ich nicht mehr alleine da stand. Meine Chefin und meine Mentorin vergewisserten uns, dass sie alles in die Wege leiten um mindestens einen der beiden rauszuschmeißen.
Mittlerweile sind gut vier Monate vergangen, in denen immer wieder Statements seitens der Organisation gegeben wurden, dass sich drum gekümmert werde, wie es aussieht wird wohl aber nichts mehr passieren. Ich hab mich mittlerweile gut damit abgefunden und versuche die beiden so gut es geht zu meiden, finde es aber sehr enttäuschend, dass solches Verhalten (sogar Konflikte mit dem Gesetz) toleriert wird. Letztendlich hat mich diese Erfahrung aber nur stärker gemacht, da ich teilweise kurz davor war abzubrechen, bin nun aber froh, dass ich dies nicht getan habe. Abgesehen davon hab ich mich bei meiner Aufnahmeorganisation aber immer sehr wohl und gut aufgehoben gefühlt.
Im Allgemeinen hat mir die Zeit hier für meine persönlich Entwicklung unfassbar geholfen, gerade in den Punkten Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein. Anderseits hab ich auch die deutschen Standards, die wir oft als selbstverständlich ansehen, schätzen gelernt (z.B. medizinische Versorgung) und es war interessant zu sehen, wie drastisch sich die Lebensbedingungen selbst innerhalb der EU noch unterscheiden können. Ich fühle mich mittlerweile total zuhause hier und die Vorstellung bald schon zu gehen, fühlt sich irgendwie seltsam an.
Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, was meine letzten zwei Monate noch mit sich bringen werden, und habe Bulgarien definitiv in mein Herz geschlossen.