Biodynamic farm & communal life
„Biodynamic farm & communal life“ war eines der eher außergewöhnlichen Projekte, bei denen wir als Entsendeorganisation mitwirken. Ein Bio-Bauernhof im finnischen „Busch“! Unsere Freiwillige Luise hat eine wundervollen Bericht verfasst, der bestens wiedergibt, wie das so ist und sich anfühlt – abseits unserer zivilisatorischen Knopfdruck-Errungenschaften. Lesen lohnt sich!
Von Juli bis November verbrachte ich meinen Freiwilligendienst auf einem Biobauernhof in Finnland. Zu Beginn fiel mir die körperliche Arbeit sehr schwer. Überall wolkenweise Mücken, dazu der Muskelkater meines Lebens. Um sieben Uhr stehe ich auf und wasche die Milcheimer, dann frühstücke ich und ziehe um acht Uhr mit Nina aus Dänemark los, um Wasser, Futter und Melkausrüstung vorzubereiten. Wir binden die Kühe an und geben ihnen Futter, damit sie beschäftigt sind, waschen das Euter mit warmen Lappen und beginnen das Melken. Danach gehen wir die Milch filtern, messen und abkochen und schauen bei den Hühnern vorbei, um Eier einzusammeln und sie zu füttern. Bis zum Mittagsessen sind wir meistens im Verpackungsraum, putzen, ordnen und wiegen Gemüse, während das finnische Radio läuft. Gegen 12 Uhr klingelt die Glocke über den ganzen Hof, wenn das Mittagessen fertig ist. Wie hungrige Wölfe stürmen wir dann ins Haus und liegen nach dem Essen im Wohnzimmer verteilt müde auf den Sofas, bis es um 14 Uhr weitergeht. Nachmittags sind wir auf dem Feld, pflücken Petersilie, graben Kartoffeln aus oder ernten Steckrüben und Brokkoli bis um sechs Uhr. Nach dem Abendessen füttern wir die Kühe, cremen die Euter mit Kokosöl ein, holen Holz, heizen den Ofen an und sperren die Hühner in den Stall. Dann wartet die Sauna auf uns, das ist großartig.
Weil der Hof mitten im Wald liegt, kann man perfekt Wandern, Pilze sammeln, Fahrrad fahren oder im See schwimmen. Im Wald ist es bis auf das Rauschen der Blätter so unglaublich still. Auch das Team mag ich sehr. So viele herrliche unterschiedliche Gestalten. Wir waren im Sommer 15 Leute, dazu ein Kind und drei Hunde. Alle wuseln, tragen schlabberige Klamotten und wilde Frisuren und erfreuen sich guter Laune. Ich habe das Gefühl, dass jeder gut aufgenommen wird, egal welchen kulturellen Hintergrund man mitbringt. Mit so vielen Menschen wird es nie langweilig. Wir machen zusammen Musik, spielen und schauen Filme. Manchmal gibt es Reibereien, das ist ja ganz normal bei so einer engen Gemeinschaft, in der alles geteilt wird. Und die Arbeit macht mir manchmal ein steifen Nacken und schwielige Hände. Zwischendurch wird alles erschwert durch die antiken Geräte und die Autos, die einfach gelegentlich streiken. 15 Menschen in einem Haus mit 2erZimmern, kein warmes Wasser, kein W-Lan, Plumpsklo, Handarbeit, das kann auch auf die Nerven gehen. Nach einem Monat war es bei mir Zeit für einen emotionalen Einsturz. Heulend saß ich im Spinatfeld. Aber Jenni nahm mich in den Arm und sagte: „Schön, dass du hier bei uns auf dem Hof bist.“ Was mir bei einem Tief wieder Freude und Motivation gibt, ist mein neues und liebstes Hobby. Wir melken im Schnitt pro Tag 8 Liter Milch, damit kann man viel anfangen: Ich mache Joghurt und Käse.
Als ich im Sommer kam, waren die Nächte weiß und niemals dunkel. Nun im November wird es um vier Uhr nachmittags schon stockduster. Abends füttern wir die Tiere mit Kopflampen, dazu eiskalter Wind und wild tanzende Schneeflocken. Die Kälte lässt an den Häusern glitzernde Eiszapfen wachsen, die frische Milch im Melkeimer dampfen und unsere Haut an den Händen trocknen und reißen. Wenn der Hof in der Dunkelheit daliegt und das Licht aus den Fenstern scheint und Qualm vom Ofen aus dem Schornstein steigt, dann spüre ich, dass er jetzt gerade mein Zuhause ist. Wenn wir alle zusammen am Tisch sitzen, essen und Unsinn erzählen, dann fühlt es sich an wie eine Familie, wenn auch zusammengewürfelt aus Bauern, Studenten, Musikern, Künstlern und seltsamen Freaks aus allen Ländern Europas. Jeden Tag habe ich mehr als nur eine sinnvolle Aufgabe, für die mir von allen Seiten Dank und Wertschätzung entgegengebracht wird. Das macht mich sehr glücklich und unterscheidet sich so sehr von meiner vorherigen Arbeit in Deutschland. Ich genieße es, selbstbestimmt zu arbeiten und sofort das Produkt meiner Arbeit sehen zu können, sei es ein Kartoffelacker, ein Käse oder ein neuer Hühnerstall. Dass ich dieses Gefühl mit Menschen aus allen Ländern Europas hier teilen kann, ist eine wunderbare Erfahrung.