Info Box
„Info Box“ war ein Freiwilligendienstprojekt in der Mediathek von Merignac. Ein Vorort von Bordeaux in Frankreich. Unsere Freiwillige Julia war dort für 10 Monate. Hier ihr ausführlicher und sehr inspirierender Bericht nach gut 2 Monaten:
Als ich vor genau einem Jahr angefangen hatte meinen Lebenslauf aufzustellen, Motivationsbriefe und Bewerbungsschreiben zu formulieren, war das Ausland doch noch sehr weit weg. Richtig ernst genommen hatte ich meine Abreise noch nicht, es war ja noch alles so weit weg. Jetzt, ein Jahr später, bin ich wirklich eine europäische Freiwillige (und das auch schon wieder seit 2 ½ Monaten!! Wie die Zeit rennt…), die einen EFD in Mérignac (bei Bordeaux) in Frankreich macht.
Ich bin Anfang Oktober in einem verlängerten Sommer angekommen und habe mir gleich einen Sonnenbrand geholt. Der erste Monat war sehr aufregend, alles ist neu und man lernt viele neue Leute in seinem Umfeld kennen. Ich wohne in einer Ein-Zimmer-Wohnung in einer Art Studentenwohnheim. Abends sitzt manchmal gemeinsam im Gemeinschaftsraum, nutzt das Internet. Eine gute Gelegenheit um die anderen kennenzulernen, weil man sich sonst tagsüber eher weniger über den Weg läuft. Mittlerweile läuft das auch mit den Gesprächen besser. Anfangs ist man schnell verloren, weil die jungen Leute eher so gut wie gar nicht artikulieren und sehr schnell sprechen. Doch man hört sich ein und mittlerweile verstehe ich schon fast alles. Es ist nicht einfach für beide Seiten, beide müssen geduldig sein.
Eine wirklich super Sache war das On-Arrival Training Mitte Oktober, wo man die anderen EFD- Freiwilligen kennen lernt. Ich habe diese Woche wirklich sehr genossen, man lernt junge Leute aus ganz Europa kennen, bekommt einen Knoten im Kopf von den vielen verschiedenen Sprachen, beginnt Sätze auf Englisch, beendet sie auf Französisch – zwischendurch dann mal Wörter aus der eigenen Muttersprache. Es war einfach genial und man knüpft superleicht und schnell Kontakte zu den anderen. Ich freue mich jetzt schon riesig auf das Midterm Training im März. Hoch motiviert bin ich aus dieser Woche nach Mérignac zurückgekehrt. Kurze Zeit später mit einer Freiwilligen aus der Slowakei nach Rochelle und Nantes gereist. Zum ersten Mal Couchsurfing und Covoiturage! Also ein kleines Abenteuer – ich hatte eine wirklich sehr schöne Zeit. Weiter ging‘s nur ein Wochenende später, das ich mit englischen Erasmusstudenten verbracht hatte. Dieses internationale – europäische – multikulti – Ambiente ist wirklich etwas für mich, eine Umgebung in der ich mich sehr wohl fühle.
Was mache ich eigentlich hier? Ich arbeite im Bij – Bureau Information Jeunesse in Mérignac. Es ist ein Ort, wo Jugendliche zwischen 13 und 29 Jahren alle Fragen loswerden können die sie haben, Beratung zu u.a. Beruf, Studium, Reisen etc. bekommen, das Internet und den Drucker nutzen können. Als lebendes Beispiel für eine EFD-Freiwillige rede ich mit jungen Leuten, die ebenfalls Lust haben, einen Freiwilligendienst zu absolvieren. Ich bin da um alle Fragen zu beantworten.
Dann begleite ich noch einen Kollegen zu Schulinterventionen im Collège oder Lycée. Es sind Diskussionsrunden zu verschiedenen Thematiken und soll helfen, den Blickwinkel der Jugendlichen zu verändern, Denkanstöße zu geben und Dinge zu hinterfragen.
Letzte Woche zum Beispiel gab es das große „Aids- Projekt“ in einer Schule hier, dass von den französischen service civique und mir auf die Beine gestellt wurde. Es ging darum, die Jugendlichen für Aids zu sensibilisieren und über verschiedene Verhütungsmethoden aufzuklären. Ich bin also auch in Projekte der service civique mit einbezogen, die im Rathaus in verschiedenen Bereichen arbeiten.
Zwei service civique arbeiten auch hier im bij und zu dritt leiten wir derzeit das Projekt „Culture Cub“. Es geht darum, Kultur – Kino, Festival, Musical, Theater, Ausstellungen, Sportveranstaltungen – für alle Jugendlichen, besonders für diese in finanziellen Schwierigkeiten, zugänglich zu machen. Folglich suchen wir verschiedene Veranstaltungen in Bordeaux und Umgebung, kontaktieren die Theater, reservieren die Tickets, etc. Schließlich geben wir ein von uns zusammen gestelltes Programm an die Jugendlichen weiter und begleiten diese letztendlich zu den Veranstaltungen. Ein schönes Projekt, wie ich finde.
Zudem freue ich mich noch aufs nächste Jahr, weil wir dann ein Projekt auf europäischer Ebene auf die Beine stellen wollen.
Petit papa Noel, quand du descendras du ciel?
Ja, es weihnachtet sehr… – naja, mehr oder weniger. Advent kennen die Franzosen nicht wirklich und Plätzchen backen ist hier in meinem Umfeld auch nicht so üblich. Aber es gibt einen Weihnachtsmarkt in Bordeaux und dekoriert wurde auch sehr schön.
Die Gemeinschaftsküche wird jetzt öfter genutzt, man bruncht zusammen und Plätzchen werden demnächst auch gemacht. Von einem Kollegen und seiner Familie wurde ich zum zweiten Adventssonntag eingeladen. So habe ich mit seiner 4jährigen Tochter Plätzchen gebacken, Weihnachtslieder auf Französisch und Deutsch gehört und einen sehr familiären Tag gehabt. Ich wurde so unglaublich herzlich in die Familie aufgenommen, das hat mich sehr gerührt.
Ich bin wirklich sehr glücklich hier gelandet zu sein. Ich wurde sehr herzlich und offen aufgenommen. Die Beziehung zu meinen Kollegen ist schon eher freundschaftlich, es gibt viele interessante Diskussionen und motivierende Gespräche, kleine Scherze am Rande. Mit meinen 18 Jahren bin ich immer und überall die Jüngste und da ich gerade mal mein Abi gemacht habe, keine weiteren professionellen Erfahrungen habe, keine Qualifikationen, kein Studium (wie die anderen frz. Freiwilligen mit denen ich z.T. zusammenarbeite) o.ä. habe, kam ich mir anfangs etwas fehl am Platz und einfach zu jung und unerfahren vor. Da ich ja im Prinzip „keine Ahnung“ habe, wie man z.B. ein Projekt organisiert. Doch auch das ist überhaupt nicht schlimm, wie mir immer und immer wieder versichert wird. So hat die erste Zeit viel mit erkunden und Fragen stellen zu tun.
Ich möchte noch sagen: Aller Anfang ist schwer. Man wird aus seinem vertrauten Umfeld gerissen und in ein neues Leben geworfen. Man kennt niemanden, lebt vielleicht zum ersten Mal alleine und selbstständig und kommt sich ein bisschen verloren vor: zum einen, weil man neu ist in seinem Arbeitsumfeld, zum anderen, weil man sprachlich nicht alles versteht – logischerweise. So ging und geht es mir jedenfalls teilweise. Aber: das ist überhaupt nicht schlimm, man nimmt auch Schwierigkeiten in Kauf, immerhin, hat man sich ja entschieden ins Ausland zu gehen. Man muss erst einmal ‚ankommen‘, neue Leute kennen lernen, sein Umfeld besser verstehen.
Auch wenn zu Integration immer 2 Seiten gehören, vieles hängt von einem selbst ab. Mir fällt es vielleicht schwerer, anderen fällt es vielleicht leichter sich ein einem neuen Umfeld zurecht zu finden. Für mich wird es jetzt so langsam. Mit den service civique macht man jetzt auch privat etwas, mit den anderen EFD Freiwilligen bleibt man ebenfalls in Kontakt und Erasmus- sowie Comenius-Studenten gibt es auch jede Menge in Bordeaux hier, was wirklich genial ist.
Man lernt unglaublich viel über sich selbst. Man ist positiv wie negativ überrascht von sich selbst, man entdeckt Seiten und Eigenschaften, man entwickelt sich. Vielleicht klingt es komisch, dass ich das schon nach 10 Wochen sage, aber so ist es. Und ich bin froh einen „Tutor“ zu haben, eine Person mit der man diskutieren und auch reflektieren kann. Es ist nicht schlimm Fehler zu machen, es gibt vieles was man lernen kann, was man nicht weiß und was man sich aneignen muss. Ich bin wirklich glücklich, in diesem Projekt mit genau diesen Leuten gelandet zu sein und ich freue mich schon auf die kommenden Monate und die Erfahrungen und Bekanntschaften die ich machen werde.